Zukunftsdialog Agrar und Ernährung 2024

23. April 2024
Festsaal Kreuzberg, Berlin

Der Zukunftsdialog Agrar und Ernährung bringt die Agrarbranche mit ihren Kritikern auf Augenhöhe zusammen, bietet Raum für offenen, kritischen, anregenden Diskurs, um damit eine möglichst große Öffentlichkeitswirkung zu erzeugen.

23. April 2024

Festsaal Kreuzberg, Berlin

Governance, Innovation und Nachhaltigkeit

Der Zukunftsdialog diskutiert Perspektiven der AgriFood-Branche

Frankfurt a.M. Die AgriFood-Branche steht vor einem Dilemma – und die Folgen dieses Dilemmas sehen wir beinahe jeden Abend in den Nachrichten.

Die Situation ist komplex: Einerseits sollen die Landwirtschaft und Lebensmittelbranche den steigenden Nahrungsmittelbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung decken. Andererseits sollen sie auch den Schutz der Umwelt gewährleisten, Antworten auf die Biodiversitätskrise und belastete Grundwässer finden sowie den fortschreitenden Klimawandel berücksichtigen.

Außerdem müssen Betriebe und Unternehmen im Inland und im Ausland wettbewerbsfähig sein und an Märkten zu gleichen Bedingungen teilnehmen können (Level playing field). Und schließlich kommt hinzu, dass die Erzeuger überwiegend keinen wirklichen Einfluss auf die Preise haben, die sie für ihre Produkte erhalten – und generell einem Strukturwandel unterworfen sind, auf den sie ebenfalls fast nur reagieren können.

All dies erfordert eine Balance zwischen vielen Faktoren: zwischen Effizienz, Nachhaltigkeit, Regulierung und Innovation. Und hier tauchen immer stärkere Zweifel auf, ob die Balance im Augenblick noch gegeben ist und wie sie künftig hergestellt werden kann.

Die Landwirtschaft ist stark von Regulierungen beeinflusst, die oft einen Spagat zwischen Umweltschutz, Tierschutz, Lebensmittelsicherheit und wirtschaftlicher Rentabilität darstellen. Regierungen müssen aus diesem Grund Richtlinien entwickeln, die die Nachhaltigkeit fördern, aber gleichzeitig die wirtschaftliche Stabilität der Landwirte berücksichtigen. Dies erfordert eine ausgewogene Regulierung, die Anreize für umweltfreundliche Praktiken bietet, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen.

Eine weitere große Herausforderung besteht darin, internationale Standards für den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen festzulegen. Diese Standards sollten nicht nur die Qualität und Sicherheit der Produkte gewährleisten, sondern auch soziale und Umweltstandards berücksichtigen, um einen fairen und nachhaltigen Handel zu ermöglichen.

Wie die Lösungen dafür aussehen können, das muss in einem breiten gesellschaftlichen Dialog entwickelt werden. Denn die Lebensmittelbranche ist – nicht nur durch Förderungen und Subventionen – tief mit der Gesellschaft verflochten. In der Frage, unter welchen Bedingungen die Erzeugung und Produktion von Lebensmitteln stattfindet und welchen Charakter Lebensmittel künftig haben sollen, sprechen viele gesellschaftliche Gruppen und Bürger mit. Also muss die Debatte darüber auch breit, umfassend und integrierend geführt werden. Und das ist auch gut so. Denn an diesen Fragen entscheidet sich auch, wie wir künftig leben wollen.

Darüber sprechen wir beim Zukunftsdialog Agrar und Ernährung in diesem Jahr mit vielen relevanten Beteiligten, suchen nach Lösungen und Perspektiven. Die Teilnahme ist kostenlos.

Hier finden Sie das Programm:

Die Stimmen zum ZDAE 2024

„Hunger und Klimakrise sind globale Herausforderungen, denen wir nur durch eine massive Steigerung der weltweiten pflanzlichen Biomassebildung begegnen können. Diese ist Grundlage für unsere Ernährung ebenso wie für eine Abkehr von fossilen Energieträgern.

Die uns dafür zur Verfügung stehende Fläche ist begrenzt. Daher verlangt eine Produktionssteigerung, dass wir ein- und mehrjährige Kulturen wieder zusammendenken und unserer Pflanzenbausysteme stärker auf räumlicher und zeitlicher Ebene diversifizieren. Technische und züchterische Innovationen werden beitragen, die effiziente Bewirtschaftung solcher komplexen Systeme zu ermöglichen.“

Krähmer-Andrea-Julius Kühn

„Unsere Lebensmittelproduktion wird aufgrund von klimawandelbedingten Extremwetterereignissen wie Starkregen und Dürren zunehmend beeinträchtigt. Es ist daher dringend nötig, dass unsere europäischen Agrarsysteme an Klimaextreme angepasst werden. Das geht nur mit mehr Agrarökologie und Ökolandbau. Die Gelder der GAP sollten dementsprechend primär an landwirtschaftliche Betriebe bezahlt werden, die ernsthaften Umwelt- und Tierschutz betreiben. Um diese ökologischen – und auch sozialen – Leistungen von Landwirten und Landwirtinnen zu messen, orientiere ich mich sowohl an dem vom Thünen-Institut mit entwickelten Regionalwertleistungsmodell, als auch an dem Stufenmodell des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Letzteres teilt ökologische Leistungen in drei Förderstufen ein und sieht vor, mehr Einsatz für den Umweltschutz höher zu honorieren.“

Häusling-Martin

Die Stimmen zum ZDAE 2023

„Klimaschutz und Nachhaltigkeit gehen nur mit mehr Tierschutz und weniger Tieren im Stall. Das heißt mit weniger Konsum und weniger Produktion von tierischen Lebensmitteln. Die Theorie, von Deutschland und Europa aus ernähren wir die Welt, rettet nicht, sondern zerstört. Das Billigfleisch hier und die Art und Weise, wie wir in den letzten Jahrzehnten Agrarpolitik betrieben haben, verursacht Hunger und Dürre in anderen Regionen der Welt.“

„Eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ist unabdingbar für eine sichere Zukunft der nächsten Generationen. Sie stellt in Zeiten multipler Krisen gleichzeitig eine Herausforderung dar. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft leistet die BLE durch Projektförderung, Kontroll- und Kommunikationsmaßnahmen ihren Beitrag für eine ökologische und nachhaltige Landwirtschaft, den Schutz der biologischen Vielfalt sowie für einen nachhaltigen Konsum und faire Erzeugerpreise.“

„Gerade erst wurde der sechste Synthesebericht des IPCC veröffentlicht, der uns die Dringlichkeit der Klimakrise noch einmal deutlich vor Augen führt. Der Agrar- und Ernährungssektor ist nicht nur verantwortlich für einen großen Teil der globalen Emissionen – er birgt auch ein enormes Lösungspotential. Die globale Lebensmittelproduktion muss umgestaltet werden, hin zu nachhaltigen, klimaschonenden und die Biodiversität erhaltenden Anbau- und Verarbeitungsmethoden. Die natürlichen Ressourcen, das Wissen und die Techniken dafür sind vorhanden. Das BMZ treibt die nachhaltige Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme proaktiv voran.“

„Gerade in der heutigen Zeit, in der die Knappheit von Lebensmitteln, aber auch die Umweltfolgen einer industriellen Landwirtschaft immer stärker zum Vorschein treten, wird deutlich, dass die Neuausrichtung der Lebensmittelproduktion alternativlos ist. Denn was wir essen, verändert die Welt.“

„Krisen sind notwendige Prüfungen der Anpassungsfähigkeit unserer Systeme an sich ändernde Rahmenbedingungen. Ein resilientes Ernährungssystem muss auch unter solchen Bedingungen funktionieren. Die Herausforderung liegt darin, Produktivität Ressourcenschonung mit Instrumenten auszubalancieren, die sich dynamisch auf externe Störungen einstellen können. Dies werden vorzugsweise marktwirtschaftliche und weniger ordnungsrechtliche Instrumente sein.“ 

„Wir brauchen dringender denn je eine Landwirtschaft, die der Ernährungssicherheit, dem Natur- und Klimaschutz und einer guten Perspektive für Landwirtinnen und Landwirte gleichermaßen Rechnung trägt. Wenn wir weitermachen wie bisher, geht das auf Kosten der Böden, der Gewässer, des Klimas und der Artenvielfalt – und gefährdet auch die landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen. Am Umbau des Agrarsektors hin zu einer naturverträglichen Landwirtschaft führt kein Weg vorbei.“ 

„Nur mit Innovationen aus der Industrie kann die Transformation der Landwirtschaft gelingen. Aber wir brauchen dafür die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen, die Innovationen ermöglichen. Und wir brauchen die Wissenschaft. Sie muss die Basis bilden, auf der Entscheidungen für die Zukunft der Landwirtschaft getroffen werden. Das zeigt, solch eine Transformation ist nicht im Alleingang möglich, wir müssen alle zusammenarbeiten für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die ausreichend gesunde Nahrungsmittel produziert und dabei die Umwelt schützt.“

Der Industrieverband Agrar e.V. unterstützt grundsätzlich die Ziele der F2F-Strategie, die Resilienz der Landwirtschaft gegenüber künftigen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu stärken und die Risiken von Pflanzenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt weiter zu reduzieren. Anstelle pauschaler Anwendungsverbote und starrer Reduktionsziele führen aber nur konstruktive Lösungsansätze und Anreizsysteme zum Ziel. Ein wichtiger Ansatz wäre zum Beispiel die gezielte Förderung des Einsatzes von moderner Ausbringtechnik wie dem Smart Spraying. 

Wir müssen aufhören Nachhaltigkeit und Produktivität gegeneinander auszuspielen. Es ist beides gleichzeitig möglich. Das belegen wissenschaftliche Erkenntnisse u.a. auch Ergebnisse aus zehn Jahren BASF FarmNetzwerk Nachhaltigkeit. Mit den richtigen und vernetzen Maßnahmen können wir die Artenvielfalt schützen, den C02-Fußabdruck je Tonne Erntegut senken und trotzdem ausreichend Nahrungsmittel produzieren. Es gilt, diese Maßnahmen für den Landwirt und Landwirtin attraktiv zu fördern und nicht durch Ordnungsrecht zu behindern. Und am Besten macht man diese Leistungen durch ein einziges allgemeines Nachhaltigkeitslabel für den Konsumenten transparent. Das wäre ein wirklich zielführender und praktikabler Anreiz für die Transformation der Landwirtschaft. 

“30% Beitrag zum Klimawandel und bis zu 70% zum Artensterben – der Impact der globalen Ernährungswirtschaft ist gewaltig. Allein in Deutschland entstehen schon jetzt 90 Milliarden Euro Folgeschäden aus nicht nachhaltiger Landwirtschaft im Jahr. Durch Übernutzung natürlicher Ressourcen, Überdüngung, zu viele Tiere auf zu wenig Fläche, zu viele Pestizide, zu wenig Biodiversität auf landwirtschaftlichen Flächen.  Die Ökologische Lebensmittelwirtschaft ist wirtschaften innerhalb planetare Grenzen, biodiverstätsfördernd, klima- und generationengerecht. Wir gehören zur letzten Generation, die die Weichen noch richtig stellen kann, doch wir tun noch immer so, als könnten wir uns die Wahrung kurzfristiger Interessen leisten, reden wir über Zumutungen statt über Chancen, wenn es darum geht, dass wir unseren Ernährungsstil heute verändern, damit zukünftige Generation überhaupt noch ein Wahl haben, wie sie sich ernähren. Wir leisten uns zu billige Lebensmittel, die die wahren Kosten ihrer Erzeugung nicht widerspiegeln, von denen wir bis zu 30% wegwerfen und diskutieren gleichzeitig über Ertragssteigerungen. 

Wir haben Lösungen, kennen Wege aus der Krise und tun nicht, was wir wissen! “

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